Sichtachsen im Theaterviertel


Ziel


Diese Dokumentation widmet sich der Frage, inwieweit im Bereich des Hauptbahnhofs und des zu bebauenden Theaterviertels "Hochhäuser" stehen können, ohne dass der Blick auf das Münster verbaut wird.


Untersuchungsmethode


Zur Untersuchung wurde das Programm "Google Earth" benutzt, das neben einer perspektivischen Kartendarstellung auch viele verlinkte Fotoaufnahmen enthält. Für die Fragestellung besonders interessant sind hier die erhöhten Standpunkte, von denen aus über das Theaterviertel hinweg ein Blick auf das Münster möglich ist. Dies sind, von der B10 kommend, die Wallstraßenbrücke und im weiteren Verlauf die Ludwig-Erhard-Brücke. Außerdem ist von der erhöht verlaufenden Kienlesbergstraße aus ein Panoramablick über das Theaterviertel auf das Münster möglich.


Aus Google Earth wurden die in diesen Bereichen vorhanden Fotos betrachtet und über ihren Aufnahmestandort die Sichtachse aufs Münster bestimmt. Die Ergebnisse wurden in eine aus Google Earth extrahierte perspektivische Übersichtskarte zusammen mit den verkleinerten entsprechenden Fotos eingetragen. Zusätzlich wurden die Grundflächen von Gebäuden eingetragen, die momentan das Stadtbild im Theaterviertel bestimmen. Außerdem ist das Theaterviertel an sich mit blauer Linie umrissen.


Beobachtungen


Betrachtet man die Sichtachsen für die extremsten untersuchten Fotostandorte sieht man, dass die Sichtachsen fast den gesamten Bereich des Theaterviertels abdecken. Der dem Bahnhof nächste, südwestliche Bereich (Postgebäude) liegt knapp ausserhalb der südlichsten Sichtachse 1. Die hauptsächlich im Sichtbereich liegenden Gebäude sind, wie aus den abgebildeten Fotos ersichtlich, das Theater und das östliche Telekomgebäude. Das Theater sticht markant durch die weiße Fassade hervor, bildet aber einen interessanten Kontrast zum Münster und verdeckt dieses immer nur in Teilbereichen und unterhalb des Dachs des Hauptschiffs. Das Telekomgebäude, 6-7 stöckig und in der Höhe vergleichbar mit dem Theater, verdeckt das komplette Kirchenschiff, natürlich bedingt durch den gegenüber der Wallstraßenbrücke niedrigeren Standpunkt auf der Ludwig-Erhard-Brücke. Von Punkt 6 aus ist das Münster beinahe unverdeckt, diesen Blick haben auch die von der B10 über die Wallstraßenbrücke hereinkommenden Autofahrer, wenigstens bis zu Standort 5. Von dort zieht dann das Theater vor dem Münster vorbei. Von Punkt 2 bzw. dem in der Verlängerung auf der Wallstraße liegenden Punkt hätte man noch einmal einen schönen Blick aufs Münster, wenn das Telekomgebäude nicht den Blick versperren würde. In Bild 2 auffallend ist die markante gezackte Silhouette der Postabfertigungshalle.


Sichtachsen Theaterviertel Ulm

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Konsequenzen für die Bebauung


Es ist offensichtlich, wo die Probleme, aber auch Möglichkeiten liegen. Der Hauptbahnhof an sich liegt völlig außerhalb der Sichtachsen, ein Turm wäre dort ohne weiteres möglich, wenn auch darauf zu achten ist, dass er im Gegensatz zum Münster nicht zu übermächtig ist. Er würde angemessen den Standort des Bahnhofs markieren und könnte eine weithin sichtbare Uhr tragen. Im Bereich des südwestlichen Postgebäudes wäre ein höheres Gebäude auch möglich, man müsste aber wegen den Nähe zum Münsterturm dort noch genauer auf die optische Wirkung achten. Wird das östliche Telekomgebäude abgebrochen und durch neue Bebauung ersetzt, ergibt sich die einmalige Gelegenheit, durch niedrigere Bebauung das Münster wieder mehr hervortreten zu lassen. Dies sollte auch für den Rest des Theaterviertels gelten, eine durchgehende 4-stöckige Bebauung wäre in Hinblick auf die Sichtachsen ideal. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die der Wallstraße zugewandte Seite des Viertels. Es wäre sicher nicht falsch, die Formensprache der Postabfertigungshalle aufzugreifen, statt dort Kuben mit Flachdach zu bauen. Ein modernes Beispiel hierfür stellt das Daimler-Motorenwerk in Stuttgart entlang der Bahnlinie dar. Dabei bieten sich die schrägen Dachflächen für Solaranlagen an.


Vergleich mit den vorliegenden Entwürfen


Ortner & Ortner: Massive Hochhäuser im nordwestlichen Theaterviertel und auf der gegenüberliegenden Schillerstraße dürften die Sicht massiv beeinträchtigen. Gut, dass die Posthalle beibehalten wird, aber schade, dass die Form durch die angrenzenden hohen Blöcke erdrückt wird.


Haehnig Gemmeke: Einzelne "Turmaufsätze" mit bis zu 8 Stockwerken werden insgesamt als Sichtwand gegen das Münster wirken. Das Bahnhofsgebäude an sich ist interessant gestaltet.


AP plan: Kein Einwand gegen Phase 1 und 2, in Phase 3 sind allerdings weitere Gebäude mit 6-14 Geschosse im Bereich der Uhlandstraße geplant.


Schueler: Die massiven 2 Blöcke im Norden des Bahnhofs müssen, sofern sie unbedingt nötig sind, in den Bereich des eigentlichen Bahnhofs verlegt werden, das Hochhaus im Norden des Theaters verdeckt dieses beim Blick von Punkt 6 und außerdem das Münster, von der Wallstraßenbrücke aus blockiert es links neben dem Theater den Blick aufs Münster.


Goessler, Kinz, Kreienbaum: Vorbildliche Umsetzung, markanter Turm im Bahnhofsbereich der auch in der Dimension gut mit dem Münster verglichen wird, Erhaltung der Postabfertigungshalle, angepasste Bebauung des Theaterviertels.


Kappler, Sedlak: Bahnhofsturm OK, Türme im Bereich der alten Telekom Ost und rechts der Ludwig-Erhard-Brücke problematisch.


Ferdinand Heide: Erhaltung der Posthalle und gerade noch akzeptable 5-stöckige Bebauung des Theaterviertels.


Wimmer: Interessanter Bahnhofsbereich, aber massiver Riegel zu weit nach Norden, und vielleicht zu massive geschlossene 5-geschossige Front nach Westen zu den Gleisen.


Aura: Leider verstellt der Block "Start-up Business" den Blick von Westen auf die lobenswerterweise erhaltene Posthalle - und vermutlich auch aufs Münster (die genaue Höhe ist undefiniert).


Fazit


Interessanterweise wird in mehreren Entwürfen die Posthalle / Paketbahnhof erhalten. Dies ist eine gute Idee und vermutlich noch besser als ein Neubau mit Nachahmung der Dachform. Es scheint sich eine Notwendigkeit abzuzeichnen, das Theaterviertel mit 5-geschossigen Häusern zu bebauen. Es sollten Computersimulationen durchgeführt werden, um die Auswirkung auf die Sicht von Wallstraßen- und Ludwig-Erhard-Brücke zu untersuchen. Diese Untersuchung konnte nur eine ungefähre Schätzung der Verdeckungseffekte geben. Keinesfalls aber dürfen, wie in einigen Entwürfen geplant, im Theaterviertel einzelne Blöcke auf bis zu 8 Stockwerke aufgestockt werden!



Martin Brenner, 27.07.2011